Der Immobilienmarkt hat sich gedreht

Vor einem halben Jahr existierte noch eine Situation, die wir seit über 10 Jahren gewohnt waren. Verkäufer-Markt.

Das war gestern:

  • Alle waren gewöhnt an ständig steigende Immobilienpreise
  • Fast jeder Verkaufswillige konnte mit satten Gewinnen rechnen.
  • Finanzierungen waren unter 1% zu haben.
  • Immobilien verkauften sich fast wie von selbst.
  • Makler haben sich darauf fokussiert, Eigentümer zu gewinnen, die ihre Immobilie verkaufen wollen. War die Immobilie erstmal im Angebot, konnte mit einem schnellen Verkauf gerechnet werden.
  • Kaufinteressenten gab es zur Genüge und wenn alles passte, war auch ein Kaufvertrag zu einem lukrativen Preis schnell unter Dach und Fach.

Das ist heute:

  • Die EZB hat den Leitzins um 0,75% auf 1,25% angehoben und weitere Zinserhöhungsschritte sind zu erwarten.
  • Obwohl die Kreditzinsen für Immobilien nicht in direktem kausalen Zusammenhang mit dem Leitzins stehen, ist daraus begründet doch eine weitere Erhöhung der Zinsen für Immobilien Kredite zu erwarten.
  • Bis zum Jahresende werden eventuell auch Zinsen um die 4 Prozent bei 10 Jahren Laufzeit wieder aufgerufen werden.
  • Für junge Familien, die ihr Nest bauen oder kaufen möchten, wird die Situation immer schwieriger.
  • Bei einem beispielhaften Reihenhaus oder Doppelhaushälfte für angenommene 500.000 € Kaufpreis und einer Kreditsumme von angenommen 400.000 € ergibt sich bei 4 Prozent Kreditzinsen und 2 Prozent Tilgung eine monatliche Belastung von ca.  2.000€. Anfang diesen Jahres wären bei damals ca. 1% Zinsen und 2% Tilgung nur 1.000€ an monatlicher Belastung für Zins und Tilgung herausgekommen.
  • Schwellenhaushalte und junge Familien mit nur einem Einkommen stoßen da heute schnell an ihre Grenzen und müssen ihren Traum von der eigenen Immobilie erstmal zurückstellen und bleiben weiter in Miete wohnen.
  • Wenn mehr Eigenkapital z.B. aus einer Erbschaft oder auch z.B. durch finanzielle Unterstützung durch die Eltern da ist, lässt sich ein Immobilientraum natürlich auch bei den jetzt deutlich erhöhten Kreditzinsen realisieren. Wenn genügend Eigenkapital eingesetzt werden kann, wird natürlich auch der für die monatlich zu tragenden Beträge aufzuwendende Betrag wieder erschwinglich. In dieser komfortablen Situation sind aber leider nicht alle, sondern nur ein Teil der Kaufinteressenten für Gebrauchtimmobilien oder auch Neubauimmobilien. Es bricht also schon mal ein Teil des Marktes weg.
  • Dann gibt es bei uns an der Küste noch die Kaufinteressenten, die auf der Suche nach einem Zweitwohnsitz in Ostsee-Nähe sind. Hier geht es meist um Eigennutzung und/oder Ferienvermietung mit lukrativen Renditechancen. Da sind dann auch meist höhere Eigenkapital Beträge im Spiel, die die  Finanzierung etwas leichter machen. Aber auch hier sind die Kaufinteressenten deutlich vorsichtiger geworden.
  • Dazu kommen die veränderten Rahmenbedingungen wie drastisch steigende Energiepreise, Baukosten Steigerung und weltwirtschaftliche Unsicherheiten, die Kaufinteressenten erstmal abschrecken und ihre Kaufentscheidungen zurückstellen lassen.
  • Und da sind da noch die Kapitalanleger, die mit Immobilien Besitz Rendite erwirtschaften wollen. Wo früher noch Faktor 30 (30-fache Jahresmiete), das entspricht rund 3,3 Prozent Rendite auf das eingesetzte Kapital für den Kauf z.B. eines Mehrfamilienhauses für angenommene 1 Mio. € durchaus verkaufbar waren, hat sich das Blatt durch die gestiegenen Zinsen deutlich gewandelt. Angenommen dieses Beispiel Haus hat 4 Wohnungen, die alle zu durchschnittlich rund 700€ kalt vermietet sind. Das entspricht in etwa der hier beschriebenen Ertragssituation. Heute liegt die Renditeerwartung der Investoren nicht mehr bei Faktor 30, sondern eher bei Faktor 20 und darunter. Das entspricht dann 5% Rendite auf das eingesetzte Kapital. Dies würde wiederum bedeuten, dass die Mieten unseres Beispielobjektes nicht mehr bei 700€ pro Monat kalt, sondern bei 1.050 € pro Monat liegen müssten, um 5% Rendite oder Faktor 20 zu erwirtschaften. Eine derartige Mietsteigerung ist unrealistisch durchzusetzen. Die Mieten sind im Übrigen nämlich deutlich geringer gestiegen als die Verkaufspreise. Um unser Beispielobjekt in der heutigen Marktsituation bei bestehender Miethöhe überhaupt noch für einen Anleger interessant zu machen, dürfte das Objekt bei Faktor 20 und unveränderter Miete heute statt 1 Mio. € nur noch rund 666.000 € kosten.
  • Auf der anderen Seite ist die Veränderung der Marktsituation noch nicht bei den verkaufswilligen Eigentümern angekommen. Die Preiserwartung ist hier immer noch auf dem Niveau von Anfang des Jahres. Der Markt gibt das aber aktuell nicht mehr her. Kaufinteressenten bieten aktuell fast immer unter dem Angebotspreis und Eigentümer haben vielfach noch nicht realisiert, dass Wunschpreise nicht mehr erzielt werden können.
  • Schon heute beobachten wir deutlich geringere Anfragen auf den Immobilien Portalen. Auch Besichtigungen sind zunehmend weniger gefragt. Aber die Qualität der Anfragen nimmt zu.
  • Wie schon immer sind auch aktuell Makler unterwegs, die Eigentümer von Immobilien Verkaufspreise versprechen, die fernab von der Realität sind („Mondpreise“). Wenn der Maklerauftrag erstmal im Sack ist, zeigt dann die ausbleibende Nachfrage, dass alles nicht passt und der Preis runter muss. So verbrennt man eine Immobilie und zum Schluss kommt dann im schlimmsten Fall keinerlei Verkauf zustande.

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